Taxi fahren Berlin im Schnee
Berlin, irgendwo am Stadtrand – ganz weit draußen
Wir sind müde, sehr müde, meine Freundin ist auch betrunken, sehr. Also nehmen wir ein Taxi – kommt natürlich keins, also laufen wir ein Stück. Wir hatten viel gegessen, und danach viel getrunken. Beim Laufen kommt das System wieder in Gang und endlich findet auch ein Taxi durch das Schneegestöber zu uns.
Wir winken. Das Taxi hält rutschend an und wir steigen vorsichtig ein: “Hey” motzt der Taxifahrer: “machen Sie mein Taxi nicht nass.”
Freundlich und zugleich verständnisvoll erwidere ich: “Wir waren nur kurz draußen und unsere Sohlen sind unendlich glatt, kein Schnee-Kristall hat eine Chance; Ledersole.”
Er brummt: “Auf ´ne Kurzstrecke habe ich aber keinen Bock.”
Ich entgegne freundlich aber unmissverständlich: “Schwedter Ecke Kastanien Allee, wir wollen durch die ganze Stadt”
Meine Freundin kämpft mit dem Anschnallgurt und lehnt sich kichernd und noch immer bibbernd an mich.
Drei Minuten später wähnen wir uns bereits in Sicherheit, aber dann: “Haben Sie gerade gepupst?”
Verdutzt entgegne ich: “Bitte wie?” was soll ich auf so eine Frage antworten, also entgegne ich sachlich: “Ich pupse nicht, sollte es stinken, bitte ich Sie das Fenster zu öffnen.”
Ich rieche nichts, aber meine Freundin stupst mich an, und ich weiß Bescheid. Der Taxifahrer grummelt böse: “Ich will nicht, dass in meinem Taxi gepupst wird, ich will nicht, dass das nochmal vorkommt. Haben wir uns verstanden.”
Wir bejahen leicht irritiert.
Meine Freundin kichert leise und redet vom Wackelpudding aus Wodka, das gefällt ihr. Und zwar nicht weil es Wackel-Pudding war, oder Wodka, sondern weil es viele ganz kleine Wackel-Pudding waren. Entsprechend viele hat sie begeistert verköstigt. Das gefällt ihr und mir gefällt, dass es ihr gefällt. Sie findet das total süß und ich finde es süß, dass sie es süß findet. So einfach ist es, glücklich zu sein.
Der Taxifahrer bremst plötzlich, dreht sich um und fährt uns wütend an: “Hey, was soll das, haben Sie schon wieder gepupst?”
Neutral entgegne ich: “Vielleicht hat es schlecht gerochen an der Kreuzung an der wir eingestiegen sind, jetzt wird die Luft warm und der Geruch entfaltet sich?”
Er ist nicht zufrieden, beginnt zu schimpfen, fährt aber wieder weiter. Ununterbrochen schimpft er, wie unverschämt das sei, was uns einfallen würde, und er sei sich sicher, dass wir gepupst hätten.
Das Taximeter zeigt 7 Euro an, wir müssen sicher noch 14 Euro weit fahren. Durch das Schneegestöber kann man einen Randbezirk der Stadt erkennen, als das Unglück seinen Lauf nimmt. Aus der Richtung meiner Freundin kann der aufmerksame Zuhörer ein vernehmbares: “Pppffffs” hören.
Wir fahren gerade auf der mittleren von drei wenig befahrenen Strassen-Spuren. Der Taxifahrer bremst, der Wagen schlingert, bleibt quer über drei Spuren stehen. Noch bevor er ein Wort gesagt hat oder der Grund der Vollbremsung seinen Weg in unsere vernebelten Gehirne bahnt springt er aus dem Taxi. Sofort drücke ich den Knopf zum Abschnallen, erst meinen, dann ihren. Er reißt die hintere linke Tür auf, ich ziehe meine Freundin schnell zu mir und stoße gleichzeitig meine, die rechte Tür auf. Er versucht sie noch im Auto zu greifen, erwischt aber nur die Handtasche. Ich ziehe, sie zieht, er zieht. Sie kreischt, ich rufe, er brüllt. Dann rutscht er auf der glatten Fahrbahn aus, die zwei Autos hinter uns hupen. Er lässt los, ich schlittere, sie hechtet und dank ihrer Stöckelschuhe, die sich grausam fest-krallen, fällen wir nicht. Erstaunlich schnell machen wir uns aus dem Staub, während uns der Taxifahrer hinterher brüllt. Frierend, laufen wir ein paar Schritte, bis wir endlich das nächste Taxi finden.
Als sie etwas sagen will, schneide ich ihr das Wort ab: “Jeder Pups hat uns 4 Euro gespart.
trotzig ergänzt sie: “Nein, 2,50”
Wir lachen.